Offener Brief: Landgestüt soll perspektivisch „abgewickelt“ werden

LV der RFV Sachsen-Anhalt appelliert an den Landtag und die Landesregierung

 

Mit großer Bestürzung musste der Landesverband der RFV Sachsen-Anhalt e.V. zur Kenntnis nehmen, dass die Landgestüt Sachsen-Anhalt GmbH und damit die Landes- Reit- und Fahrschule als Partner des Pferdesports in Sachsen-Anhalt durch die Landesregierung wieder einmal ernsthaft in Frage gestellt werden. Mit Beschluss der Landesregierung vom 04. Oktober 2016 soll die Landgestüts Sachsen-Anhalt GmbH über Gewinnausschüttung einen Betrag von jeweils 2,5 Mio. € in 2017 und 2018 über den Landeshaushalt abführen. Der Geschäftsbetrieb des Landgestüts wird perspektivisch eingestellt. Um diesen Prozess zu begleiten, wird die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt GmbH mit der Wahrnehmung der Geschäftsführung beauftragt.  

Im Haushaltsentwurf 2017/2018 ist ein Fortbestand der Einrichtung, in der das Land Sachsen-Anhalt alleiniger Gesellschafter ist, perspektivisch nicht mehr vorgesehen. Also soll das Landgestüt Prussendorf über kurz oder lang abgewickelt werden. Als am 03. November 1992 der Landtag von Sachsen-Anhalt den Beschluss fasste, ein Landgestüt einzurichten, waren alle Pferdesportler und Pferdezüchter dankbar. Die neuen Chancen nach der Wiedervereinigung konnten genutzt werden, um Pferdesport und Pferdezucht neu zu organisieren und voran zu bringen. In Sachsen-Anhalt gibt es mehr als 300 Reitvereine mit rund 12.000 Mitgliedern, davon ca. 50 Prozent Kinder und Jugendliche. Mehr als 30.000 Pferde sind in Sport und Zucht in Sachsen-Anhalt registriert. Bundesweite Berechnungen belegen, dass mit einem solchen Bestand ca. 8.000 Arbeitsplätze verbunden sind und der Umsatz jährlich pro Pferd ca. 5.000 Euro beträgt. Bei einem Bestand von ca. 30.000 Pferden ergibt das einen Gesamtumsatz von ca. 150 Millionen Euro. Kein Pappenstiel. Geht man davon aus, dass durch die Abwicklung des Landgestütes Sachsen-Anhalt ein Rückgang der Umsätze um nur 5 Prozent erfolgen würde, heißt das eine Umsatzreduzierung von rund 7 Millionen Euro, die wiederum mehr als 1 Million Euro weniger Steuereinnahmen ausmachen würden.

 

Eine geplante Gewinnausschüttung von 2,5 Mio. € ist utopisch ohne, dass Grund und Boden verkauft wird. Zunächst dürften 60 ha reichen, um 2017 die Gewinnabführung zu realisieren. Ein Tod auf Raten. Soweit rechnerisch.

 

Viel größer ist der moralische Schaden der hier entsteht. Die Enttäuschung der Menschen, die mit Pferden zu tun haben und den Worten des CDU Landwirtschaftsministers Dr. Hermann Onko Aigkens vor der Landtagswahl 2016 Glauben schenkten, dass mit der Bildung einer GmbH Prussendorf auf die Zukunft ausgerichtet sein wird, kann nicht größer sein. Ministerin Prof. Dr. Dalbert (Grüne) und Finanzminister Schröder (CDU) haben der Glaubwürdigkeit von Politik einmal mehr einen Bärendienst erwiesen.

 

 

Wem soll man in Sachsen-Anhalt eigentlich noch glauben?

 

Die Ministerin für Umwelt, Energie und Landwirtschaft, Prof. Dr. Claudia Dalbert, setzt jetzt gemeinsam mit Finanzminister Schröder den Rotstift an. Es geistern die verschiedensten Varianten der Abwicklung in den Medien herum. Da soll wertvolles Ackerland verkauft werden (übrigens dann schon zum zweiten Mal, denn rund 500 ha wurden bereits zur Auffüllung des Haushaltes verkauft), obwohl der Staatsekretär der Ministerin im mdr-Fernsehen beteuert, dass man Ackerland nicht verkauft (jedenfalls macht das kein richtiger Bauer). Hoffentlich folgen dieser Aussage auch Taten. Dann heißt es wieder, die Immobilie wird verkauft ohne Grund und Boden. Wo soll denn ein solcher Käufer her kommen ? Drittens eventuell ein Gesamtverkauf im Paket. Wenn überhaupt, dann kann nur diese Lösung favorisiert werden, um durch Zusatzvereinbarungen zu sichern, dass der Kristallisationspunkt von Pferdesport und- zucht auf lange Zeit erhalten bleibt und die Mitarbeiter eine Chance auf Weiterbeschäftigung haben. Dafür muss man sich aber zum Standort, zu den Pferdesportlern und Pferdezüchtern bekennen. Dafür muss man ehrlich sein. Bekannt haben sich vor der Landtagswahl 2016 viele der Abgeordneten und auch einige Minister auf bedeutenden Pferdesport- und Zuchtveranstaltungen in Grußworten und durch ihre Präsenz. Jetzt, wo es darauf ankommt, Pferdesport und Pferdezucht direkt zu unterstützen, darf man gespannt sein, wie die Entscheidung zum Haushalt im Landtag ausgehen wird. Der Beschluss der Landesregierung, wenn vom Landtag mitgetragen, wird dazu führen, dass es keine Investitionen mehr in diesem Betrieb geben wird, der über kurz und lang nicht mehr existieren soll. Die Tatsache, dass die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt GmbH beauftragt werden soll, diesen Prozess zu begleiten, unterstreicht, dass der Ausverkauf Prussendorfs beschlossene Sache sein soll, denn Hauptaufgabe der Landgesellschaft ist es, Grundstücke des Landes zu veräußern und den Gewinn an den Haushalt abzuführen. Deshalb muss die Frage erlaubt sein, ob es nicht von Anfang an Überlegungen gab, durch die Gründung der Landgestüt Sachsen-Anhalt GmbH langfristig Tür und Tor zu öffnen, um den Betrieb still und heimlich abzuwickeln. Hoffentlich hat man sich nicht auch noch Berater in’s Boot geholt, um den Prozess zu beschleunigen. Denkbar wäre das in Sachsen-Anhalt. Ich bin zutiefst enttäuscht über die Vorgehensweise der Landesregierung und der regierenden Parteien. Während andere Bundesländer ihre Landgestüte herausputzen, zu Zentren von Pferdesport und- zucht, zu Stätten lebendigen Kulturerbes machen, wird eine mehr als 25-jährige Arbeit von Vorgängerregierungen, Mitarbeitern des Landgestütes und der beteiligten ehrenamtlichen Gremien der Verbände in Sachsen-Anhalt mit Füßen getreten.

 

Der Landesverband der RFV Sachsen-Anhalt e.V. und namentlich der Kreisreiterverband Salzlandkreis e.V. appellieren an die Abgeordneten des Landtages und an die Landesregierung, alles dafür zu tun, das Landgestüt Prussendorf langfristig zu erhalten. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen dazu dürften ohne weiteres vorhanden sein, wenn man sie richtig nutzt. Wird Prussendorf abgewickelt, dann erlangt unser Land als erstes, dass sich vom Kulturgut Pferd trennt, einen unrühmlichen Platz in der deutschen Geschichte.

 

Kinder- und Jugendsport sind in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Wir brauchen Prussendorf als Aus- und Weiterbildungsstätte, als Lehrgangsobjekt mit all seinen Vorzügen und nicht zuletzt als Veranstaltungsort für bedeutende Pferdesportevents und – zuchtveranstaltungen, Leistungsprüfungen für Hengste und Stuten. Hier werden Pferdewirte ausgebildet. Geben Sie dem Landgestüt eine Chance, verändern Sie Strukturen, wenn nötig, erschließen Sie neue Einnahmequellen und geben Sie auch den 27 Mitarbeitern eine Chance, dass ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt. Hören Sie auf an Stellen zu sparen, die keine Einsparungen bringen sondern den Ruf des Landgestütes schädigen. Es mag banal klingen und ist es sicher auch, aber dass es keine gut funktionierende Kantine mehr im Landgestüt gibt, ist mehr als ein Armutszeugnis zur Rettung des Landgestütes. Mit solchen kleinen Dingen fängt es an und mit der Frage der weiteren Nutzung der „Professor-Werner-Wussow-Halle“ hört es auf. Guten Appetit in der Landtagskantine.

 

 

Harald Sporreiter, Vorsitzender des Kreisreiterverbandes Salzlandkreis e.V. 

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